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Großelternbrief Nr. 17
Zitat: Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen. Ich würde nicht mehr so perfekt sein wollen, ich würde mich mehr entspannen. Ich würde versuchen, nur mehr gute Augenblicke zu haben. Falls du es noch nicht weißt, aus diesen besteht nämlich das Leben; nur aus Augenblicken; vergiss nicht den jetzigen. J.L.Borges
Liebe Großeltern,
Beim nächsten Mal wird alles anders – haben Sie sich das nicht im Laufe Ihres Lebens auch dutzende Male geschworen? Beim nächsten Kind, dem nächsten Job oder vielleicht der nächsten Partnerschaft? Nochmal anfangen können, etwas besser machen, klüger handeln, durchdachter agieren. Perfekter sein wollen. Genau das Gegenteil drückt der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges aus: Beim nächsten Mal wird alles anders, nämlich unperfekter. Wir wollen mit jedem Mal perfekter werden, Fehler werden als schlimme Makel angesehen, als ehrenrührig. Wer Fehler macht, gibt sich die Blöße. Darum sind wir so beschäftigt damit, Fehler zu vermeiden oder gar zu vertuschen. Das mag im Beruf vielleicht gelingen, aber in Familie und Partnerschaft? Unsere Kinder kennen uns genau, erstaunlicherweise oft besser, als wir uns selber. Unmöglich, unsere Fehler vor ihnen zu verbergen. Ja, gebe ich unumwunden zu, wenn meine Kinder mich darauf ansprechen, ich habe mit Sicherheit Fehler gemacht beim Umgang mit euch. Fehler, die nicht wieder gutzumachen sind, Fehler, die mir sehr leidtun, Fehler, die ich vielleicht nach meinem heutigen Wissen nicht mehr machen würde. Aber sie sind passiert und, auch du wirst Fehler machen, mein Kind, Fehler im Umgang mit deinen Kindern, Fehler, die nicht wieder gutzumachen sind und dir im Abstand der Jahre auch einmal schmerzhafte Erinnerungen bereiten werden.
Nur dem werden seine Fehler zu Fesseln oder Schlingen, der nicht bereit ist, sie zuzugeben. Wer dazu steht, aus ihnen lernt, für den können Fehler sogar einen Gewinn bedeuten, weil er auf diese Weise im Leben vorwärtskommt.
Es ist nicht der Perfekte, der mehr vom Leben hat, sondern der Ehrliche. Wenn wir als Großeltern echter werden könnten, ehrlicher und offener, hätten wir mit Sicherheit auch mehr gute Augenblicke. Wir müssten nicht so tun, als hätten wir sämtliche Weisheit gepachtet und sei unser Wort das einzig wahre. Wir brauchten uns nicht mehr über unsere Kinder und Enkel zu ärgern, sondern wären viel gelassener im Umgang mit ihnen. Denn, wenn wir nicht perfekt sind, wen sollte es wundern, dass unsere Kinder und Enkel es auch nicht sein müssen. Eine ganze Familie, mehrere Generationen dürften sich darauf konzentrieren, den Augenblick zu genießen und damit das Leben. Welch ein positiver Einfluss ginge damit von uns Großeltern aus, wenn wir unsern Platz als Bedenkenträger verließen und stattdessen wieder ein wenig vom jugendlichen Leichtsinn hätten. Das würde ein vorwärtsgewandtes und nicht rückwärtsgerichtetes Leben bedeuten, lernwillig und selbstbestimmt. Wir müssten nicht mehr über die Fehler der andern schimpfen, weil unser Humor genug mit unsern eigenen zu tun hätte. Fehler wären nicht mehr peinlich, sondern nur noch lästig, weil sie manchmal zurückwerfen, Umstände machen oder Schwierigkeiten. Wir korrigieren unsere Fehler, leisten gegebenenfalls Wiedergutmachung, aber haben dennoch nicht das Gefühl, unser ganzes Leben sei nun aus dem Ruder gelaufen und alle zeigten mit Fingern auf uns. Wer zu seinen Fehlern steht, muss sich nicht schämen! Wenn Oma und Opa statt Schuldverschiebung Einsicht üben, gehen sie mit gutem Beispiel voran und können die vielen Lebensaugenblicke voll genießen.
Einen entspannten Umgang mit Ihren Enkeln wünscht Ihnen
Marianne Kopp