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Großelternbrief Nr. 24

Zitat: Manche Menschen benutzen ihre Intelligenz zum Komplizieren, manche zum Vereinfachen. Erich Kästner

Liebe Großeltern,
zurück zur Einfachheit ist eine unter jungen Leuten verbreitete Maxime. Sie reduzieren ihr Gepäck so, dass es in einen Rucksack passt.
Manche Großeltern nehmen die gleiche Richtung in Sachen Weltsicht und Fortschritt. Ihre Weltsicht kennt nur noch schwarz oder weiß, gut oder böse. Sie haben das mit dem Vereinfachen einfach falsch verstanden. In ihren Augen ist der Klimawandel erfunden und Internet nur eine vorübergehende Zeiterscheinung. Sie regen sich aber auf, wenn der Tagesschausprecher für weitere Informationen auf die entsprechende App verweist und fühlen sich dann fast diskriminiert. Sie lächeln herablassend, weil die junge Mama extra teure Biomöhrchen für die Babynahrung einkauft, um das Menü für den frischen Erdenbürger selber zuzubereiten und halten das Getue um gesundes Essen für übertriebene Spinnerei.
Andere Großeltern wiederum hüten ihr Wissen wie einen Goldschatz und trumpfen regelmäßig mit ihren Erfahrungen auf. Sie haben unlängst gelesen, dass Babyfertignahrung mit Schwermetallen kontaminiert sein soll. Deshalb werden sie sehr ungehalten, wenn die Mama das Enkelkind aus dem Glas ernährt, wo man doch selber kochen sollte. Sie haben sich schlau gemacht, dass Handystrahlen schädlich sind und drücken darum der ganzen Familie strahlungsarme Handyhüllen, garantiert aus regionalem Material, auf. Sie werden nicht einfach eine Tulpenzwiebel in den Boden stecken, wo doch neulich im Fernsehen was über Mondphasen kam. Solche Großeltern machen das Leben kompliziert und sind anstrengend.
Und schon sind die Diskrepanzen da. Die Vereinfacher werden sarkastisch und die andern hysterisch. Wobei Biomöhrchen ja noch der geringste Anlass sind. Meistens geht es um Höheres, wie Erziehungsstile, Partnerwahl, sexuelle Ausrichtung, Ausbildungsziele oder Jobanforderungen. Oder um die Beziehung zwischen Enkelfamilie und Großeltern. Die Vereinfacher-Großeltern, weil sie jetzt im Ruhestand Zeit haben, bemängeln die Hektik bei der Enkelfamilie. Die Komplizierer-Großeltern reagieren pikiert, weil sich niemand für ihr Halbwissen interessiert. Schließlich haben Sie in einem Ratgeber gelesen, dass …
Gehören Sie zu den Vereinfachern auf schwarz-weiß-Niveau, ist es Zeit, über den Tellerrand zu blicken und den Horizont zu erweitern. Das Leben wird immer unübersichtlicher, das Medienzeitalter ist sehr vielschichtig. Also seien Sie auf der Hut, dass Sie nicht den Anschluss verpassen. Besonders nicht den an Ihre Kinder und Enkel. Sonst bleibt Ihnen, bildlich gesprochen, nichts als ein Rucksack und das wäre doch auf die Dauer zu wenig.
Gehören Sie aber zu denen, die alles, was sich im Laufe ihres Lebens als geistiges Gut oder geistiger Müll angesammelt hat, horten, müssen Sie dringend ausmisten. Verabschieden Sie sich von Überflüssigem. Trennen Sie sich von Schwerem, reduzieren Sie. Und hören Sie auf, Ihrer Tochter oder dem Sohn dieses oder jenes überstreifen zu wollen. Die junge Generation ist tüchtig und clever. Geben Sie Enkeln und Kindern Raum, eigene Erfahrungen zu machen.
Einen entspannten Umgang mit Ihren Enkeln
wünschen
Reinhard und Marianne Kopp