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Großelternbrief Nr. 12

Liebe Großeltern!

Es gibt Dinge, die beherrsche ich perfekt: Organisieren zum Beispiel oder Saubermachen. Doch neigt sich meine Waage zwischen Können und Nichtkönnen bedenklich, wenn es ans Geschenkekaufen und -verpacken geht. Ob bei Enkeln, Kindern, meinem Ehemann oder Freunden, stets tue ich mich schwer dabei. Nein, ich gehöre glücklicherweise nicht zu jenen Unglücklichen, die dann auch noch das Falsche schenken und mehr Frust als Freude beim Beschenkten auslösen. Ich muss nur regelrecht über meinen Geschenkideen brüten und es dauert eine Weile, bis was Gescheites dabei herauskommt. Danach stehe ich vor der zweiten Hürde, die für mich noch höher liegt: das Verpacken. Was beneide den Rest meiner Familie, der mich an Heiligabend mit perfekt verpackten Geschenken beglückt: alle Ecken des Geschenkpapiers sind gleichmäßig eingeschlagen, die Schleifen sitzen, kurz, die Geschenke sind eine Augenweide. Ich erspare Ihnen an dieser Stelle die Schilderung meiner Mühen und des Ergebnisses, wenn ich mich endlich durchgerungen habe, die Geschenke kurz vor dem Weihnachtsabend einzuschlagen.

Doch bin ich keineswegs gewillt, wegen meines Unvermögens das Schenken abzuschaffen, denn ich finde Schenken außerordentlich wichtig. Besonders an Weihnachten. Meine Familie und ich gehören nicht zu jenen, die tönen: wir schenken uns nichts. Wir schenken uns was. Jedes Jahr wieder. Aber, wir schenken uns nichts Großes, Gewaltiges, Pompöses. Unsere Geschenke passen mehr in die Kategorie Aufmerksamkeiten. Jeder erweist jedem auf diese Weise Wertschätzung. Damit das wirklich gelingt, haben wir für Heiligabend ein Ritual entwickelt. Wir packen nacheinander unsere Geschenke aus, alle warten dann gespannt, und freuen sich mit dem Beschenkten. So dauert die Bescherung ziemlich lange, denn unsere Familie ist zahlreich. Doch nehmen wir uns die Zeit ganz bewusst, genießen das Schenken und Beschenktwerden auf eine besondere Art.

Als Großeltern haben wir uns von Anfang an jenem unsäglichen Wettstreit »Wer kann mehr?« verweigert, der zwischen den Eltern von Vater und Mutter gerne entbrennt. Wir sind schon lange aus dem Zwang des Konsumterrors ausgestiegen und zeigen unsern Enkeln, dass es anderes im Leben gibt, als das tollste Fahrrad oder das trendigste Computerspiel zu besitzen. Und haben damit bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Wobei sie auch, was das Materielle betrifft, nicht ins Hintertreffen geraten. Nur wollen wir sie auch in diesen Dingen zu einem gesunden Mittelmaß erziehen helfen, denn wie alle Menschen müssen auch sie lernen, mit unerfüllten oder unerfüllbaren Wünschen zu leben. Solche Lebenseinstellung ist eine gesunde und stärkt sowohl uns als auch unsere Enkel im praktischen Leben. Und solche Weisheiten sind wohl das beste und wertvollste Geschenk, dass wir unseren Kindern und Enkeln machen können. Der besondere Clou dabei: ich muss mich hier nicht mal mit Geschenkpapier und Schleife abmühen!

 

Einen entspannten Umgang mit Ihren Enkeln wünscht Ihnen

Marianne Kopp